In rund vier Wochen wird an der Börse zur Halbzeit gebeten. Somit ist ein erster vorsichtiger Blick auf die vermeintliche Güte der Börsenprognosen erlaubt. In einem halben Jahr wird der deutsche Michel dann wieder in der Hochphase der Finanzmarktausblicke mit den Vorhersagen der Bankhäuser konfrontiert, wie hoch DAX & Co. Ende 2016 stehen werden. Doch die meisten Vorhersagen sind leider nichtssagend und nutzlos.

Die Prognosen, dass „die Notenbanken den Aktienmärkten die Richtung“ vorgeben und die „globalen Notenbanker zumindest auf kürzere Sicht die wahren Herren der Aktienmärkte“ sind, mögen zwar richtig sein, neu sind sie nicht. Schon immer wurden die Börsen maßgeblich von der Zinspolitik getrieben. Schon unter Alan Greenspan (1987 bis 2006) und seinem Vorgänger Paul Volcker hingen die Börsen an den Lippen der Notenbankchefs. Ein paar genuschelte Greenspan-Silben reichten aus, und die Aktienmärkte schossen binnen Sekunden um mehrere hundert Punkte nach oben – oder sie brachen ein. Und das weltweit. Originell wäre die Vorhersage gewesen: 2015 werden die Kurse nicht von der Geldpolitik getrieben.

Auch die Empfehlung, „die Entwicklung in den USA genauestens im Auge zu halten“, ist eine schon seit mehr als einem Jahrhundert lang gültige Wahrheit – und somit überflüssig. Erstens, weil es generell gut ist, die Entwicklung in anderen Ländern im Auge zu behalten, erst recht, wenn es große Staaten sind. Zweitens, weil in den Vereinigten Staaten schon immer das meiste Börsengeld bewegt wurde. Dort sind milliardenschwere Pensions- und Vermögensfonds beheimatet. Die Aktien unserer DAX-Konzerne werden nicht in erster Linie von deutschen, sondern von amerikanischen und britischen Anlegern gehandelt. Deshalb war unsere Börse schon immer fremdgesteuert von der Wall Street. Eine Korrelation von nahezu +1 wird nur dadurch verhindert, dass wir es zeitzonenbedingt mit anderen Handelsschlusszeiten sowie abweichenden Feiertagen zu tun haben.

Wenig originell ist auch die Feststellung „dass der Wind an den Märkten rauer wird“, „Börsen über Zeiträume von zwölf Monaten nicht als Einbahnstraße verstanden werden dürfen“ und „der langfristige Blick entscheidend“ ist. Noch nie ging es an den Börsen ein Jahr lang ohne Unterbrechung nur nach oben. Und auch noch nie hat allein der kurzfristige Blick an den Aktienmärkten ausgereicht.

Überflüssig ist selbstverständlich die Empfehlung „mit Augenmaß ins Risiko“ zu gehen. Gab es denn schon einmal den umgekehrten Ratschlag? Brauchten Anleger schon mal nicht so genau hinzuschauen und konnten Aktien bedenkenlos kaufen?

Auch dass der DAX 2015 ohne steigende Firmengewinne nicht zulegen würde, ist wenig hilfreich, liest sich aber sinngemäß im Archiv der vielen Ausblicke. Aktien sind Anteilsscheine von Unternehmen. Insofern ist es unlogisch, wenn die Kurse losgelöst von den Firmengewinnen zulegen würden. Doch genau das: Steigende oder fallende Kurse ohne erkennbaren Grund vollziehen die Finanzmärkte oft genug entgegen aller Vernunft. Dennoch sucht man solch einen Hinweis vergebens. Vermutlich, weil er unkonventionell ist und zum Eingeständnis zwingt, dass das Geschehen an den Börsen unberechenbar ist.

Deshalb gleicht jeder Ausblick irgendwie dem Besuch bei einer Wahrsagerin und dem Wunsch des Kunden, die Zukunft zu erfahren – wir benutzen hier sehr gerne das Bild von der „Suche nach dem heiligen Gral“. Dabei sind viele Einflüsse wie Stimmungen, Erwartungen, Herdentrieb und Psychologie der Anleger nicht wirklich prognostizierbar. Wer sich dennoch als Guru versteht, begeht pure Kaffeesatzleserei.

Unsere Einschätzung: Anleger können Börsenausblicke getrost ignorieren. Die veröffentlichten Binsenweisheiten verdecken nur die wichtigste Einsicht: Niemand kennt die Börse von morgen. Zudem kann man zeigen, dass viele Expertenprognosen schlichtweg falsch sind. Denn die sogenannten „Experten“ überschätzen sich: Nur weil ein Bankanalyst viel von den Finanzmärkten versteht, kann er nicht auch deren Entwicklung vorhersagen.

Wer stattdessen nach einem konsistenten Anlagekonzept handelt, braucht keine Prognosen. So empfiehlt auch der amerikanische Psychologe und Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman: „In einer Welt voller Unsicherheit empfiehlt es sich, mit Algorithmen zu arbeiten, als auf eigene Eingebung zu vertrauen.“

Chart 1: Prognosen für 2015

Quelle: Eigene Darstellung – Daten aus der WELT

Dem Mainstream der abgegebenen Prognosen folgend müsste der Anleger jetzt aus dem Aktienmarkt aussteigen oder ggf. eine Short-Position eingehen, während der Ölmarkt noch Einiges an Luft nach oben zu haben scheint…

An diesem Punkt stellt sich nun die Frage nach der Zuverlässigkeit von Finanzmarktprognosen in der Vergangenheit. Wir haben uns die Daten für den DAX seit 1996 angesehen und konnten resümieren, dass im Durchschnitt der Prognosemittelwert von der tatsächlichen Realität um rund ein Viertel abwich. Gleichzeitig wurde der Prognoseraum (= Spanne) auch nur fast jedes vierte Jahr erreicht; Pareto lässt schön grüßen…

Prognosefreie Anlagekonzepte, wie unser Handelssystem HPM Herotaxx Cubixx, profitieren hingegen konsequent im Sinne von Kahneman durch den Einsatz quantitativer Analysetools.